Text

Über meine Arbeiten

Meine Arbeiten kreisen in der Regel um ein Thema, wobei im Laufe der Zeit ein Themenkreis in einen anderen übergehen kann. Vielleicht liegt allen meinen Arbeiten eine animistische Anschauung zu Grunde, die der magischen und poetischen Welt des Theaters und des Märchens nahe steht. Im theatralen Rahmen verwischen die Grenzen zwischen Innen und Außen, zwischen Leben und Leblosem. Spielerisch sind Wandlungen möglich, und in der Leichtigkeit des "Als ob" ist Platz für Tragik und Komik, Erhabenes und Banales gleichermaßen.

Dem entsprechend sind meine Bildräume atmosphärische Räume. Das Poröse des monochromen Hell-Dunkels, die Auflösung in feine Linien, erzeugen eine immaterielle, schwebende Stimmung, in der es keine harten Abgrenzungen gibt. Die auf den ersten Blick lieblich anmutenden Szenen bergen bei näherem Hinsehen oft Irritierendes. Sie haben die Ambivalenz von "Fliegenpapieren": die Verlockung ihrer süßlich klebrigen Oberfläche kann eine Falle sein.

Ausgangspunkt und motivische Grundlage für meine Bilder sind eigene Fotografien, historische Abbildungen sowie Zeichnungen nach selbstgebauten Modellen oder vorgefundenen Objekten. Inspirationsquelle können auch Texte, Traumelemente, Erinnerungen und Körpergefühle sein, denen dann ein Prozess der ästhetischen Vertiefung folgt.

In Puppet Show geht es um die märchenhafte Belebung von an sich leblosen Puppenhüllen. Man kennt das vom Puppentheater. Die Puppenköpfe kommen in den Zeichnungen dem Papier so nahe, dass sich ihr Atem wie Staub niederzuschlagen scheint. In der Natur zeigt sich dieser Moment der Wandlung im Übergang von einer Puppe in einen Schmetterling.

Die Falterkleider und Bildobjekte in Körper – Hülle – Kleid sind inspiriert von Robert Musils Text "tangle foot" – ein Fliegenpapier und Sinnbild für Krieg und Todeskampf. Dieser Krieg geht unter die Haut, unter die Hülle – unter das Körperkleid. Die Schnittbogenlinien auf dem Vogue-Kinderkleid ("Großes Falterkleid") erinnern an strategische Skizzen von Schlachtplänen. Das pergamentene Papierkleid selbst ist Schauplatz des Todes und als Falterkleid zugleich auch Sinnbild für Auferstehung. 



Auch in Lichtungen beschäftige ich mich mit jenen magischen Orten des Übergangs, wo Grenzen durchlässig werden, Abgrenzungen verwischen und sich auflösen. Im Realen sind dies die Grenzbereiche, wo Natur in Kultur übergeht. In der Bildästhetik können es Räume sein, die sich durch Unschärfe und Vagheit dem Benennbaren entziehen. "Unschärfe ist das bildliche Medium des Übergangs zum Neuen, ..., vom Wachen in den Tagtraum, vom Hellen ins Abgeschottete, von der Stille ins Raunen, aber auch von der Sicherheit ins Tasten und Vermuten." (Bernd Hüppauf: "Eine neue Unschärfe", 2011)

In Das andere Album nehme ich unter anderem Fotografien aus meinen privaten Familienalben "unter die Lupe". Unter behutsamer Befragung und mit "schrägem" Blick integriere ich z. B. fremde Personnage, verändere und vergrößere unscheinbare Details, baue Bildelemente nach etc., und erwecke sie so spielerisch-zeichnerisch zu neuem Leben.

Gudrun Schäfer, Januar 2014